5 Sterne                       28.12.2020

 

Schwimmen oder Untergehen?

 

Zwei Männer haben als Kinder Gemeinsames erlebt, ein Kinderstreich mit einem schlimmen Ende. Werden sie als verlorene Personen scheitern, aufgerissen, ortlos?

 

Es ist eine nicht hoffnungslose Geschichte, in der sich bittere und provokante Wahrheiten über zerplatzte Träume und Lebenslügen entfalten.


10 Sterne                       23.12.2020

 

Gedanken über den Tod und das Lachen

 

Stan Laurel (Komiker)und Thomas von Aquin (Philosoph) treffen sich in einem dunklen Raum, in einem Tunnel. Sind sie tot? Ist alles Einbildung oder ein Traum? Was sollen sie tun? Warten? Einen Ausweg finden? War da ein Geräusch?

 

"Vielleich sind das alberne Lachen und der Glaube nur zwei Weisen, sich dem Unerklärlichen zu nähern. Sinnhaft und sinnentleert. Ihr Glaube zielt auf einen außer uns liegenden Sinn. Mein albernes Lachen zielt auf das in mir liegende Gefühl einer tief empfundenen Sinnlosigkeit. Die Sinnlosigkeit macht sich Luft im Unsinn." Seite 199


8 Sterne                       15.12.2020

 

"Eine Fingerspitze auf diesen warmen Stein zu legen, war, wie die Menschheitsgeschichte zu berühren." Seite 202

 

Nach diesem Roman möchte man unbedingt nach Island reisen und sich die Fjorde dort in aller Ruhe anschauen und dann wandern und an diesen Roman denken, der gleichzeitig ein historischer und auch ein Familienroman ist. Wie lebten die Menschen in Island vor ca. 130 Jahren? Der Autor schreibt kritisch und liebevoll zugleich über die Menschen und ihr Dasein.

 

"So war es mit allem in Island. Kein Plan hielt länger als bis zum Abend, keine Entscheidung war endgültig, alle Gespräche verliefen ohne Ergebnis. ... Besprechungen waren wenig anderes als Fechtübungen zum Loswerden von Meinungen." Seite 345


4 Sterne                       27.11.2020

 

"... neue Schmerzen, Irritationen und Glück würden die Gassen erfüllen. Zukunft" Seite 102

 

Traum? Mystik? Wirklichkeit?

Eine Frau beerdigt am nächsten Tag ihren Lebensgefährten und den Vater ihres Kindes. Und in der Nacht vor der Beerdigung kommen Erinnerungen, Träume und Hoffnungen in ihr hoch. Vergangenheit und Gegenwart vermischen sich.

 

"Keine einzige Frau darf die Mönchsbibliothek betreten, flüstere ich dem Kind zu, aber Orion hat in den Fundamenten des Hafenturms einen roten Schuh von mir eingemauert." Seite 42

"Manchmal mahnen die Orte an überstandene Gefahr, einen Unglückfall und wundersame Rettung." Seite 77


9 Sterne                       21.11.2020

 

"Platzwunde im Paradies" Seite 207

 

Was gefällt mir besonders an den Büchern von Joachim Meyerhoff?

Ich empfinde die Art wie er über sein Leben schreibt, immer ehrlich, überraschend, spritzig, humorvoll und gleichzeitig ernst und tiefsinnig. Das zeigt sich sogar mit diesem Buch, das er nach und über seinen Schlaganfall geschrieben hat.

 

"Selbst im kleinsten Kreuzgang des Universums war noch Platz für Hierarchien. Auch unter Hamstern gab es Streitigkeiten.  ... Hatte man sich totgebissen oder wieder vertragen? Oder war man vielleicht gar spontan zusammengezogen? Seite 252


6 Sterne                       10.11.2020

 

"Die Stille sei der schönste Laut der Welt ..." Seite 25

 

Nach diesem Roman möchte man sich sofort aufmachen und nach Finnland reisen, um das Licht dort im Winter auf dem zugefrorenem Meer zu sehen und zu genießen.

 

"Die Stille sei der schönste Laut der Welt, pflegte der französische Komponist zu sagen, wenn er die Arbeit mit neuen Kompositionsstudenten aufnahm. Man müsse außerordentlich gute Gründe haben, um sie zu brechen." Seite 25


3 Sterne                       05.11.2020

 

Tolles Cover und schöner Titel

 

Eine irgendwie gescheiterte aber liebenswürdige Frau ist auf der Suche nach den letzten Küstenseeschwalben und ist bereit, dafür ziemlich viel aufs Spiel zu setzen.

Nach und nach entblättert sich die Geschichte.

"Wir wissen nicht, was wirklich passiert ist."

"Sie hat gestanden. Sie hat gesagt, sie wollte es." Seite 154


5 Sterne                       01.11.2020

 

"Bleiben Ideen, für die einer kämpft, Ideen?" Seite 133

 

Ich habe immer noch die vorsichtige und ruhige Stimme von Anne Weber bei der Preisverleihung des Deutschen Buchpreises im Ohr.

Und nun dieser Text. Die Leser merken, wie sorgsam die Autorin die Worte und Sätze wählt und bewundernswert ist besonders, wie sie den "weißen Grabstein aus Papier" entstehen lässt. Seite 35

Auch die Pause auf der Seite 83 bleibt für mich unvergesslich.

Sehr viel habe ich über die Geschichte von Algerien und Frankreich gelernt.


1 Stern                       26.10.2020

 

 

Um den Sinn und den Hintergrund zu verstehen, brauche ich unseren Literaturkreis. Das Lesen der ersten Hälfte hat Spaß gemacht, der Leser kann gut folgen und wird förmlich in die Geschichte hineingesogen, doch dann hat mich die Düsternis und Hilflosigkeit der Personen zu sehr deprimiert. Das Ende hat mich enttäuscht und ich habe es wahrscheinlich auch nicht verstanden. Schade ...

umso mehr freue ich mich auf die Besprechung.


6 Sterne                       24.10.2020

 

Die Verletzlichkeit des Lebens

 

Dies ist eine Liebesgeschichte, auch geht es um den Klimawandel, aber was das Buch für mich so besonders macht, sind die wunderbaren Tier- und Landschaftsbeschreibungen rund um die Antarktis. Und es läuft ein Kopfkino mit den Schönheiten der zauberhaften Welt dort, mit dramatischen Eis- und Schneelandschaften. Es ist der sechste Kontinent mit all seinen überwältigenden Facetten.

"Mir scheint, es gibt zwei Arten von Menschen, die in die Antarktis reisen. Diejenigen, denen die Ziele ausgegangen sind, und diejenigen, denen die Verstecke ausgegangen sind." Seite 210


9 Sterne                       22.10.2020

 

"Das menschliche Auge ist für Wissenschaftler bis heute so unergründlich wie das komplexe Verhalten der Zugvögel." Kapitel 111

 

Wir sind in Jerusalem und 10 km südlich in Bait Dschala. Zwei Väter haben ihre Töchter verloren. Smadar (13 Jahre) wurde 1997  von einem palästinensischen Selbstmordattentäter vor einem Buchladen getötet und Abir 2007 durch eine Kugel eines israelischen Grenzsoldaten. Beide Väter nutzen ihre Wut und ihren Zorn nicht für Rache sondern für einen gemeinsamen Kampf für den Frieden. Diese wahre Geschichte greift Colum McCann für diesen umfangreichen Roman auf. Es geht um den Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern aber auch um Menschen, Vögel, Schmerz und Hoffnung.


9 Sterne                       15.10.2020

 

"Außerdem gibt es Wichtigeres zwischen uns." Seit 256

 

In Panik nahmen sich mehr als 900 Menschen in Demmin (meist Frauen mit ihren Kindern) durch Ertrinken, durch Gift oder durch Erhängen das Leben.

Grund für diesen Massensuizid: 1945 erreichen russische Soldaten die Stadt, alle Fluchtwege sind abgeschnitten.

 

Vor diesem Hintergrund und in der jetzigen Zeit spielt der Roman, der die Leser atemlos von Seite zu Seite zieht und tief berührt.

Was ist das Gegenteil von Geborgenheit in der Kindheit?


6 Sterne                       13.10.2020

 

Identität und Familie

 

Es geht um Herkunft, Eltern und Heimat.

Was ist ausschlaggebend? Ist es ausschlaggebend?

Ist das Wissen darum so wichtig?

Dies ist eine sehr lesenswerte Geschichte, die in Deutschland und im Iran spielt.

"Ich betrachte das Gesicht meiner Großmutter aus der Nähe, versuche, Hinweise dafür zu finden, was diese Schwesternschülerin noch alles anstellen wird in ihrem Leben. In ihrem und in dem anderer." Seite 180


8 Sterne                       07.10.2020

 

"Er hat sich schon immer für den Nabel der Welt gehalten - und das ist vielleicht auch gut so!" Seite 135

 

Wer einmal schlechte Laune hat oder betrübt ist, sollte dieses Buch lesen. Es ist so lebensbejahend und positiv, dass die Autorin mit ihrer Lebenskunst und Ausstrahlung helfen kann. Doro Zachmann erzählt die Geschichte ihres Sohnes, der Down-Syndrom hat.

"Wie gewichte ich irdische Maßstäbe wie Erfolg, Leistung, Ruhm, Geld ...?" Seite 126


3 Sterne                       30.09.2020

 

Herzfaden

 

Richtig schön, wie dem Leser die Geschichte der Augsburger Puppenkiste erzählt wird. Man spürt die Hingabe und Liebe der Puppenschnitzerin, das Talent der Spieler und man sieht vor dem inneren Auge, wie die Marionetten durch eine klitzekleine Bewegung der einzelnen Glieder zum Leben erweckt werden.

Und die Bedeutung der Vorstellungen direkt nach dem 2. Weltkrieg ist natürlich erheblich.

"Der Herzfaden einer Marionette ist der wichtigste Faden. Nicht sie wird mit ihm geführt, sondern mit ihm führt sie uns. Der Herzfaden einer Marionette macht uns glauben, sie sei lebendig, denn er ist am Herzen der Zuschauer festgemacht." Seite 64


5 Sterne                       20.09.2020

 

"Musik, Dichtung, Raum, Licht, Bewegung ..." Seite 24

 

Erzählt wird in einem sehr ruhigen Ton über das Leben von Gustav Mahler. Er war Dirigent, bedeutender Komponist, Operndirektor im Wiener Opernhaus und lebte von 1860 bis 1911.

Der Leser kann sich nach diesem Buch gut in diese Zeit hineinversetzen.

 

"Musik, Dichtung, Raum, Licht, Bewegung - alles war eins und erhielt im Zusammenhang einen Sinn, der tiefer wirkte, als es das bloße Nebeneinander der einzelnen Teile bisher vermocht hatte. " Seite 24

 

"Es ist schön, man müsste es nur zu fassen kriegen." Seite 36


7 Sterne                       18.09.2020

 

"Glauben ist Gnade." Seite 51

 

Sieben Geschichten/Lebenswege berühren sich zaghaft wie ein Flügelschlag.

Es sind solche Sätze, die mich begeistern: "Die Leute erzählten ihre Geschichten auf seltsam feststehende Weise. Als wären sie genau so passiert. Dabei war, das ahnte Karline, jede Geschichte auf hundert mögliche Weisen passiert, und alle waren gleich wahr und nicht wahr." Seite 76

Sollte ich "Drei traurige Tiger" von Cabrera Infante lesen. Seite 170


5 Sterne                       09.09.2020

 

"Der Friedhof werde mit einer Asphaltschicht bedeckt." Seite 277

 

Es ist nicht nur eine tolle Urlaubslandschaft in Südtirol mit einem eindrucksvollen Stausee. Dahinter verbirgt sich eine Geschichte mit vielen Einzelschicksalen, die Marco Balzano mit seinem Roman sehr gut in die Gegenwart gebracht hat.

 

"Mutter klopfte mir auf die Schulter und trieb mich an: "Los, Mädel, verlier dich nicht in deinen Gedanken!" Für sie waren die Gedanken die ärgsten Feinde." Seite 120


5 Sterne                       03.09.2020

 

www.stolpersteine.eu

 

Ich hätte so gerne noch besser bewertet, aber ich habe nicht die Kraft gehabt, es zu Ende zu lesen. 40 Seiten vor Schluss habe ich abgebrochen.

Dies als Schullektüre ist Wahnsinn.

So viel Gewalt, Folter und Hass.

Das Buch erinnert in tiefer Trauer an das furchtbare Schicksal der Menschen in Norwegen, die in der Zeit des Nationalsozialismus im 2. Weltkrieg ermordet, verfolgt oder deportiert wurden.


7 Sterne                       22.08.2020

 

"Es war ein winziges architektonisches Meisterstück." Seite 65

 

Kann man 160 interessante und lesenswerte Seiten über eine Schnecke füllen? Ja, Elisabeth Tova Bailey kann das hervorragend, liebevoll, detailiert und überraschend. Jeder Leser wird nach diesem Buch sein Leben und das Leben noch so kleinster Tiere anders sehen.

 

"Das Richtige tun heißt, gar nichts zu tun, der richtige Ort dafür ist ein Vesteck, und der richtige Zeitpunkt dafür ist so oft wie möglich." Seite 109

 

"Wir zwei bildeten eine ganz eigene Gemeinschaft, und das nahm der Isolation die Schärfe." Seite 122


6 Sterne                       09.08.2020

 

"...und es sollte ein eigenes Wort geben für ein ansteckendes Weinen..." Seite 205

 

Wie ist es, in einem fremden Land, neu anzufangen, in diesem Fall in der Schweiz? Was bedeutet Familienzusammenführung? Was bedeutet es, Familienmitglieder in einem Kriegsland (hier Jugoslawien) zurückzulassen?

 

"...wir sind Mischwesen und die seien tendenziell glücklicher, deshalb, weil sie in mehreren Welten zu Hause seien, sich wo auch immer zu Hause fühlten, sich aber nirgendwo zu Hause fühlen müssten..." Seite 160


10 Sterne                       02.08.2020

 

"Die Seele ist eben kein Gummiband." Seite 75

 

Mit großer Intensität erzählt Adriana Altaras in diesem Buch einfühlsam, liebevoll, spannend und identisch von ihrer Familie, von ihrer jüdischen Familie in der heutigen Zeit in Berlin.

"Sie aber wollte alle hundert geladenen Gäste dabeihaben. Sie ersetzten Familienangehörige, die es nicht mehr gab, sie gaben ihr Halt, sie gingen ihr auf die Nerven. Sie taten das, was man als Gemeinschaft tut. Bestenfalls. Füreinander da sein. Dann hätten sie gefeiert, gegessen und getanzt, dass es sie noch gäbe, nach allem." Seite 221


5 Sterne                       29.07.2020

 

"Kunst war der Versuch, den Moment in Bernstein zu gießen." Seite 14

 

Ein junger Mann möchte nicht Untertage im Bergbau arbeiten, so wie es von ihm in England 1946 erwartet wird, sondern macht sich auf den Weg, die Welt kennenzulernen, und die Leser dürfen ihm folgen. Das fällt sehr leicht, denn der Autor schreibt mit sehr bildhaften Beschreibungen.

"Die winzigen Details wurden glasklar: das Rippengefüge eines kleinen welken Blattes, das seit dem Winter unberührt geblieben war, das Beben eines einsamen wilden Grashalms, während andere ringsherum reglos blieben." Seite 52

"Weiße Pferde sind die brechenden Wellen. Der sich überschlagende Kamm könnte als die Mähne gesehen werden, und das Donners klingt zweifellos wie das Dröhnen von Hufen." Seite 185


4 Sterne                        25.07.2020

 

"Hinter Jeder Zahl steckte ein menschliches Schicksal. Einhundert Schicksale." Seite 214

 

Wirklich erstaunlich, dass dieser Roman vor unserer Corona-Zeit geschrieben wurde.

Mit der Corona-Erfahrung liest man dieses Buch anders. Sind die Menschen tatsächlich so angreifbar und so schutzlos? Die Antwort lautet leider ja, auch wenn es schwer fällt, dies einzusehen.

"Echte Wale sind wunderschöne, fühlende Wesen, die unsere Liebe und unseren Respekt verdienen. Ganz gewiss sind sie keine potentielle Nahrungsquelle. Wir können das Geschenk dieser Tiere teilen, indem wir ihnen die Freiheit der Ozeane geben, indem wir sie beim Whale-Watching besuchen und indem wir durch Organisationen wie Greenpeace gegen jene Nationen vorgehen, die immer noch Wale jagen." Seite 471


10 Sterne                        20.07.2020

 

"... bis ich meinen Puls im gleichen Takt schlagen fühle, ruhig, regelmäßig, fast so laut wie die Stimme, die immer noch in mein Ohr flüstert." Seite 123

 

Dieser Roman gefällt mir so gut, weil er so vielseitig ist wie ein Mensch. Aus verschiedenen Blickwinkeln wird eine Geschichte mit Vergangenheit erzählt und von mir aus könnte sie immer so weiter gehen. Es werden nur einige Tage der Familie erzählt, doch diese sind bezeichnend für ein ganzes Leben. Leider ist nichts planbar und keiner hat so richtig recht.

"Schau mal, sie lassen sich ganz viel Zeit." Seite 93


9 Sterne                          12.07.2020

 

"Ich finde, Geheimnisse sind das Allerletzte"

 

Nachdem ich diesen Satz auf der Rückseite gelesen habe, wusste ich, das wird mein nächstes Buch.

Klappentext: Mit furiosem Witz und viel Herzenswärme verwebt Adriana Altaras Episoden aus ihrem herrlich chaotischen, unorthodoxen Berliner Alltag mit der außergewöhnlichen Geschichte ihrer Familie.

 

"Der Sterbende wird bis zum letzten Atemzug als Lebender betrachtet. Es ist die heilige Pflicht, neben ihm zu blieben, damit er im Todesmoment nicht alleine ist. Weinen und Wehklagen ist verboten, damit der Sterbende nicht leiden muß." Seite 17